Im Bereich der Lehrer(weiter)bildung existiert ein kaum überblickbarer
Wust von Angeboten höchst unterschiedlicher Qualität – kann man das
guten Gewissens unseren Kindern und Lehrkräften zumuten?
Zur Lage
Regelmäßige und sachgerechte Lehrerfortbildung (LFB) muss wichtiger Bestandteil des Bildungssystems sein. Sie sollte das Wissen der Lehrkräfte aktualisieren, ihre unterrichtlichen Kompetenzen erweitern, ihre Arbeitszufriedenheit erhalten oder gar erweitern – und letztlich zu besseren Schülerleistungen führen.
Eine Studie der vorigen Landesregierung beurteilte 2019 das über Jahrzehnte gewachsene System der LFB in NRW als verkrustet und höchst suboptimal: Weiterbildung für Lehrkräfte finde zu selten statt, passe vielfach nicht zu den Bedarfen – und sei chaotisch organisiert. Es wird dauern, das zu ändern … Zur Studie
Aktuell werben die mit LWB beauftragten 53 Kompetenzteams des Landes die „für eine neue Lehr- und Lernkultur“. Von acht Programmen zielt aber nur eines auf Unterrichtsqualität i.e.S. – und bei diesem steht „Selbstgesteuertes Lernen“ an erster Stelle, an letzter hingegen die Steuerungskompetenz der Lehrkräfte. Gerade diese aber ist vielfach defizitär und bedarf professioneller Konsolidierung – sei es in Fragen der Unterrichtsmethodik, sei es bzgl. der Klassenführung.
♦ Was wäre gute Lehrerweiterbildung ?
Den Befunden der jüngeren Unterrichtsforschung zufolge (gerade auch: Hattie-Studie) müssen Lehrpersonen souveräne, aktivierende und feinfühlige Führungskräfte sein. „Im Zentrum [guten Unterrichts, d.V.] steht ein Lehrer, für den allerdings seine Schüler im Zentrum stehen. Er muss ihr Lernen sehen können, um sein Lehren daran orientieren zu können.“ (Terhart, 2011)
Einstiegsanspruch für Lehrerweiterbildung müsste zunächst sein, das relevante Unterrichtswissen der Lehrkräfte auf den neuesten Stand bringen. Das aber ist kein Selbstzweck: Das Wissen soll sich auch auswirken – die Qualität des unterrichtlichen Handelns soll steigen. Letztlich aber wird man erst zufrieden sein, wenn sich die Lernleistungen der Schüler verbessern – oder gar deren Lernmotivation und Sozialverhalten. Diese Wirkungsstufe ist allerdings nicht im Handumdrehn zu erreichen. Denn selbst wenn neue Wissensinhalte und Verhaltensmuster sinnvoll sind: Die Lehrkräfte müssen sie in bereits etablierte subjektive Theorien und Gewohnheiten implementieren.
Fachartikel („LFB lernwirksam gestalten – Forschungsüberblick“, Lipowsky & Rezjak, 2016 [S. 5-9])
Wer möglichst lernwirksam unterrichten möchte, sollte sich in
folgenden Bereichen professionalisieren können:
¤ Befähigung zu lernwirksamen Unterrichtssequenzen
¤ Stabilisierung des eigenen Wirksamkeitsempfindens
¤ Rehabilitierung pädagogischer Führungsfreude
¤ Ausweitung pädagogischen Feingefühls
¤ Etablierung einer individuellen Evaluationshaltung
Ein mögliches Szenario hierzu findet sich in
Schulverwaltung spezial 4/2017 (Vollversion auf Anfrage).
♦ Schulentwicklung gescheitert ?
In vielen Bundesländern zeigen deutsche Schüler am Grundschulende, beim Mittleren Schulabschluss sowie im Abitur teilweise gravierende Kompetenzdefizite – Tendenz steigend. Und NRW ist im Ländervergleich regelmäßig unter den Schlusslichtern zu finden (zuletzt: Bildungsmonitor IDW 2021). Mitverantwortlich dafür sind frühere Schulentwicklungskonzepte, die die Schüler idealisierten (Wellenreuther 2009) oder das Organisatorische überschätzten (Schlee, 2013).
Dabei könnten unsere Schüler mehr. Und größere Unterrichtsqualität im Alltag wäre relativ einfach zu haben – und damit auch mehr Lernerfolg der Schüler sowie Berufszufriedenheit der Lehrer: durch Orientierung der Lehr-Lern-Methodik an der aktuellen Unterrichtsforschung – sowie durch stärkere Fokussierung der Beziehungsqualität im Unterricht.
Praxisbericht FAZ 22.10.2018 Fachartikel Schulverwaltung spezial 4/2017 (Vollversion auf Anfrage)