Inklusion

 

Die Neuausrichtung der schulischen Inklusion seit 2017
hat einige Grobfehler der Vorgängerregierung
abgemildert – aber …

Zur Lage

An Grundschulen wird generell „Gemeinsames Lernen“ (GL) angestrebt; vor der 3. Klasse können Schulen i.d.R. keine sonderpädagogische Unterstützung (Verfahren AO-SF) beantragen. In der Sek I sollen Eltern von Kindern mit besonderem Förderbedarf zwischen Förderschule und allgemeiner (GL-)Schule wählen können; für solche Schwerpunktschulen wurden konkrete Qualitätskriterien benannt. Gymnasien bieten sonderpädagogische Förderung in der Regel nur für Schüler an, die zielgleich unterrichtet werden können (also bei Förderbedarf ESE, HK, KM, SE).

Die für Sonderpädagogen zusätzlich bereitgestellten Stellen können aber wegen des leergefegten Marktes nur teilweise besetzt werden. Verstärkt wurden deshalb zuletzt auch sozialpädagogische Fachkräfte im Gemeinsamen Lernen eingesetzt, die fallweise auch unterrichten – diese sollten aber eigentlich nur unterstützend mitwirken und sind in der Regel weder unterrichtlich noch diagnostisch hinreichend ausgebildet.

„Neuausrichtung der Inklusion in NRW“ (2018):    Eckpunktepapier    Runderlass    Kommentar SZ    Anfrage 2021


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♦ So viel Integration wie möglich, so viel Separation wie nötig

Zu Recht forderte die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) 2009 freien Zugang zu schulischem Unterricht für alle Kinder – weil dies weltweit nämlich keineswegs selbstverständlich ist. Allerdings verpflichtet die BRK nicht zur Einführung „einer Schule für alle“. In Deutschland stellt das differenzierte Förderschulsystem bereits seit langem eine in besonderer Weise unterstützende Form schulischer Allgemeinbildung dar.

Förderschulen, die einzelne Schüler phasenweise separiert unterrichten, wurden durch Befürworter des Einheitsschulprinzips seit 2010 immer wieder ins Zwielicht gestellt – oder unter Ex-Schulministerin Löhrmann gleich geschlossen. Es zeigte sich jedoch, dass die Diagnose- und Unterstützungsqualität fester Förderschulen bzw. -klassen derzeit im Regelschulsystem höchstens punktuell erreicht werden kann.

Einige Fachartikel zum Thema:
# Warum Inklusion am Gymnasien nur selten Sinn macht (2019): Lost in inclusion“
# Möglichkeiten und Grenzen des Rügener Inklusionsmodells (2017): „Überschätzt?“
# Nachdenkliches seitens Sonderpädagogik (Prof. Speck, 2015): „Über inklusive Missverständnisse“
# Skepsis seitens Rehabilitationswissenschaft (Prof. Ahrbeck, 2014): Das Gleiche ist nicht immer gleich gut“
# Feltens ZEIT-Kolumne zum Thema aus 2014: „Soll mein Kind mit Behinderten lernen?“
# Ein Kultusminister im Jahre 2013: „Inklusion ist Kommunismus für die Schule“


♦ Inklusive Bildung – darauf kommt es an:

Jedes Kind braucht den für es geeignetsten Lernort – dies kann (wie weltweit üblich) auch eine Spezialschule oder -klasse sein. Schüler mit gravierenden Beeinträchtigungen benötigen spezifische Lerngruppen (Förderklassen) – zumindest phasenweise. Anzustreben wäre „dual-inklusives“ Denken (Otto Speck) – ein dynamisches Zusammenwirken von Regel- & Förderschulen (dual track approach).

Empirische Befunde zur Lernwirksamkeit in inklusiven Settings fallen höchst ambivalent aus, in der Sekundarstufe (höhere Sachkomplexität, Pubertätsspezifik) fehlen sie weitgehend. Das Entwicklungswohl von Schülern hängt der Forschung zufolge primär von Unterrichtsqualität und Förderressourcen ab, nicht von der Schulstruktur.   Befunde

► Das Förderschulsystem nicht schwächen oder gar auflösen!
Jeder Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf muss wohnortnah in geschütztem Rahmen gezielt gefördert werden können. Die elterliche Wahlfreiheit zwischen inklusiver Regel- und spezifischer Förderbeschulung ist zu erhalten. Es ist dafür zu sorgen, dass genügend professionelle Förderlehrkräfte zur Verfügung stehen. Flüchtig „inklusionsgeschulte“ Regellehrer haben sich als latent überlastet erwiesen – für Förderkinder ein hohes Entwicklungsrisiko.

► Die pädagogische Professionalität der Regelschullehrer stärken!
Je größer die methodische und pädagogische Kompetenz der Lehrkräfte, desto eher können – bei entsprechenden Unterstützungsressourcen – auch Schüler mit vorübergehenden Entwicklungsproblemen an Regelschulen verbleiben und dort angemessen gefördert werden. Jede Form von radikaler, überstürzter oder unterfinanzierter Inklusion schadet gerade den Kindern, deren Entwicklung besonders belastet ist.


♦ Inklusion am Gymnasium?

Sogar der leidenschaftliche Inklusionsbefürworter Hans Wocken ist der Auffassung, dass sich aus der UN-BRK kein Gymnasialbesuchsrecht ableiten lässt, sondern lediglich Zweifel gegen eine Sonderschulpflicht.

Unter Ex-Schulministerin Löhrmann (Grüne) hatten sich zahlreiche Gymnasien aber dazu gedrängt gesehen, Schüler auch dann aufzunehmen, wenn sie wegen gravierender Handicaps (‚Lernbehinderung‘, ‚geistige Beeinträchtigung‘) gymnasialen Anforderungen prinzipiell nicht gewachsen waren. Die meisten dieser Schulen brachen dieses Experiment jedoch gleich nach dem Regierungswechsel 2017 ab. Die aktuelle „Neuausrichtung der Inklusion“ ermöglicht zieldifferente Beschulung an Gymnasien seitdem nur noch dann, wenn „dies aufgrund des örtlichen Schulangebots erforderlich ist, um den Anspruch der Schüler auf Gemeinsames Lernen zu erfüllen“.

Bizarres Resultat: Wollen maßgebliche kommunale Kräfte Inklusion radikal durchsetzen, dann rechnen sie Bedarfe und Kapazitäten so passend, dass Gymnasien zieldifferent zu fördernde Schüler aufnehmen müssen – obwohl sie an dieser Schulform und mit den bestehenden Ressourcen schlechter unterstützt werden als an Gesamt- oder Förderschulen.

In Bremen hatte sich 2018 eine Schulleiterin einem ähnlichen Vorhaben der Schulaufsicht per Klage widersetzt. Die Klage wurde zwar (aus formalen Gründen) abgewiesen, die Behörde reduzierte ihren Plan aber immerhin darauf, die Förderschüler nur in einer separaten Förderklasse zu beschulen – und auch dies kam mangels sonderpädagogischen Personals vorläufig nicht zustande. (Urteil vom 27.06.2018, Az.: 1 K 762/18, Kurzfassung, juristischer Kommentar)